– 234 Tage nach der Ankunft –
Ein kleiner Traum ist in Erfüllung gegangen!
Vor ungefähr zwei Jahren im Spanischunterricht mussten wir Vorträge halten über Feste in spanischsprachigen Ländern. Darunter wurde uns das Fest „Tomatína“ vorgestellt.
Die Tomatína hat weder einen religiösen noch einen politischen Hintergrund. Im Prinzip bewerfen sich die Menschen, die teilnehmen gegenseitig mit Tomaten und haben Freude daran.
Diese jahrelange Tradition stammt ursprünglich aus Spanien. Seit 2004 gibt es die „Tomatína“ auch in Sutamarchan, einem kleinen Dorf, in dem ich einmal war, nicht weit von Tunja.
Eigentlich werden überreife Tomaten verwendet, aber traurigerweise gab es auch viele noch grüne. Mir ist bewusst, dass es eine ziemliche Lebensmittelverschwendung ist, aber ich finde einmal kann man da mitmachen.
Seit ich diesen Vortrag in der Schule gehört habe, wollte ich mit meinen Mitschülern unbedingt einmal mitmachen, weil es auf Bildern nach einer Menge Spaß aussah. Ich dachte aber sowieso, dass ich niemals die Chance dazu haben würde.
Tja… So spielt manchmal das Leben!
Letzte Woche in Villavicencio hat mein Nachbar ein Kreuzworträtsel gelöst, in dem die Frage war, woher das Fest „Tomatína“ kommt und ich habe erzählt, dass ich da unbedingt einmal hin möchte. Da meinte er, dass es in Sutamarchan nächste Woche stattfindet und er bzw. meine Nachbarn, mit mir und Angelika hinfahren würden.
Also sind wir am Sonntag früh aufgestanden, um pünktlich um 9:00 zu Beginn da zu sein. Aus 7:00 Abfahrt wurde 7:45. Trotzdem waren wir rechtzeitig in Sutamarchan.
Allerdings wurde uns dort gesagt, dass 9:00 die Veranstaltung für die Kinder stattfindet und für Erwachsene erst 15:00.
Ich schlug dann vor nach Chiquinquira zu fahren, eine kleinere Stadt ca 40 Minuten entfernt. Dort wollte ich bevor ich zurück nach Deutschland fliege unbedingt nochmal hin. Von meinem Besuch im November hatte ich in einem älteren Beitrag schon berichtet. Damals habe ich Nubia kennengelernt, eine prima (Cousine) von meinem Nachbarn. Ich habe oft an sie gedacht, weil sie sooo herzlich ist. Ich wurde freudig von ihr empfangen. Nach einem kleinen Frühstück sind wir in der Stadt rumgelaufen und ich habe mich viel mit ihr unterhalten.
Nach einem schnellen Mittagessen und einem kurz gehaltenen Abschied (wir waren ein wenig spät dran), sind wir zurück nach Sutamarchan.
Dort haben wir das „Tomatína“-T-Shirt gekauft und uns umgezogen. Bei der Tomatína waren nur mein 16-jähriger Nachbar und seine Mutter, die aber nicht teilnehmen wollte und deshalb viele Fotos gemacht hat.
Nach einem Countdown sind zuerst die Kinder auf den Berg von Tomaten gelaufen und haben ein bisschen rumgeworfen. Nach kurzer Zeit durften dann alle loslegen.
Ich kann euch sagen, das war eine Erfahrung, die ich nie vergessen werde!
Ich weiß nicht genau, was Angelika und ich uns vorgestellt haben, aber sowas nicht 😀
Eigentlich dachte ich, dass man ein bisschen Tomaten rumwirft. Schnell musste ich aber feststellen, dass das nicht alles ist.
Wenn man sauber geblieben ist (Limpio!) dann kommen fünf bis zehn Menschen auf dich zugerannt und zerren dich in den Berg von Tomaten hinein und von allen Seiten wird man mit Tomaten überhäuft.
Am Anfang dachte ich mir: Man, das ist aber gemein gewesen. Aber dann habe ich mitbekommen, dass einfach niemand sauber daraus durfte.

Tja… Letztendlich wurde ich dreimal in den Berg reingezogen, weil ich anscheinend immer noch nicht „tomatig“ genug war. Allerdings ist zum Ende hin mehr Dreck und Schlamm als Tomate vorhanden, weshalb wir gar nicht so rot aussehen, wie ich es gedacht hätte. Am Ende glich es also eher einem Schlammcatchen.

Gleich beim 1. Mal, wo ich reingezogen wurde, habe ich meine Schuhe verloren, weil einfach alles so glitschig war. Ich hab in halber Panik in den knöchelhohem Tomatenmatsch verzweifelt meine Schuhe gesucht und dachte schon: Ja gut… Du wirst hier ohne Schuhe rausgehen. Zum Glück habe ich sie doch noch gefunden und fest zugezurrt.
Nach dem 2. Mal habe ich mich schon genug „tomatig“ gefühlt, doch dann kam ein viel zu starker Typ an und hat mich locker hochgehoben und noch einmal in den Tomatenmatsch reingeworfen. Tja… Dann hat er sich aber auf mich raufgelegt. Ich lag also in den Tomaten drin und dieser Typ auf mir drauf, so dass ich nicht flüchten konnte und Tomate in Ohren, Nase und überall hatte.
Angelika und ich hatten die Idee eine Sonnenbrille aufzusetzen, was echt gut war! Als ich mich irgenwie befreien konnte, war meine Sonnenbrille voller Tomate und wenn ich mir vorstelle, dass ich das in meinen Augen gehabt hätte…
Jetzt wusste ich auf jeden Fall, dass da ein starker Typ war und wir haben ihm gesagt, dass Fredy (mein Nachbar) immer noch viel zu sauber ist. Fredy war ganz schön sauer, als er genauso „tomatig“ wie wir rauskam 😀
Ein paar Impressionen:
Am Ende war dann ein Feuerwehrauto da und die Masse wurde mit Wasser abgespritzt. Manche waren aber so gemein, dass wenn man gerade wieder sauber war, wieder in den Dreck reingezogen wurde.
Ich hatte übrigens ein bisschen das Gefühl, dass weil ich eine mona (Blonde) bin, leichter zum Opfer wurde, weil ich halt auch mehr auffalle 😀
Außerderm wurde ein Schaum verkauft, der zum Saubermachen helfen sollte. Der wurde aber auch so wahlweise rumgesprüht.
Also gab es sozusagen drei Phasen:
1. Tomatig
2. Halbwegs sauber vom Wasser
3. Weiß vom Schaum
Osmany, die ja eigentlich nicht mitmachen wollte, wurde dann auch von herzlichen Menschen umarmt (Abrazo!) und war dann doch mit Tomaten eingesaut.
Danach sind wir, weil wir uns ja so nicht ins Auto setzen konnten, zu einem Fluss gelaufen, wo mehrere Menschen waren. Dort sollten wir uns halbwegs abbaden.
Typisch Jule bin ich vor allen Menschen im Schlamm ausgerutscht.

Nach dem Wasser und dadurch, dass die Sonne langsam unterging wurde uns seeehr kalt. Wir sind dann nach Villa de Leyva gefahren, weil meine Nachbarn dort Familie und ein Haus haben. Dort wollten Angelika und ich uns entspannt duschen, doch dann die Überraschung: es gab keine funktionierende Dusche.
Wir haben zwei Eimer mit heißem Wasser bekommen und mussten dann irgendwie die Tomaten von uns bekommen. Wir beide haben nicht gerade kurze Haare und es war echt ein Akt sauber zu werden! Ich habe danach noch ewig Tomatenstückchen aus meinem Haar gesammelt (und noch eine Tasse im Haus kaputt gemacht, ups! :D).
Eigentlich wollte ich an dem Abend noch auf eine Finca meiner Profe fahren, die mich eingeladen hatte, aber wir haben so lange gebraucht und waren so fertig, dass ich in Villa geblieben bin.
Bei Freunden, die ein Hotel besitzen, haben wir zum Abendessen arroz con leche (Milchreis) mit Tomaten! (nein, Spaß :D) bekommen. Der Milchreis war typisch mit Käse obendrauf und Kokos und Rosinen.
Ich wollte danach nur noch schlafen, aber meine Nachbarn wollten noch zum Plaza für eine vuelta (Runde). Vuelta in Kolumbien können fünf Minuten oder fünf Stunden sein so ungefähr 😀 Ich hatte überhaupt keine Lust und war schon im Pyjama, was mir sehr unangenehm war (aber in Kolumbien gar nicht so ungewöhnlich ist). Auf dem Weg zum Plaza haben wir dann noch Hauke, unseren Mitfreiwilligen in Villa de Leyva, getroffen.
Weil am Montag festivo war, war auf dem Plaza ordentlich was los. In einer Ecke wurde gesungen und getanzt. Dort waren wir eine Weile. Wie das so typisch ist, wurden wir dann von meinen Nachbarn und seinem Bruder zum Bier trinken eingeladen. Und das alles im Schlafanzug 😀
Also hatte ich ein sehr witziges Wochenende, indem ich wieder viele neue Erfahrungen gemacht habe! Paar Tage später habe ich noch ein bisschen Muskelkater vom Tomaten-Werfen 😀
Weisheit des Tages: Ich hatte zwar Tomaten an Stellen, wo ich niemals Tomate haben wollte, aber trotzdem bin ich der Meinung, dass man einmal in seinem Leben bei einer Tomatína mitmachen sollte! 😀